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Curriculare Fortbildungen

Entwicklungs- und Sozialpädiatrie: Kindern helfen, sich gesund zu entwickeln

Kinder wachsen heute anders auf: Sie kämpfen mit Übergewicht und Folgen der Pandemie wie Ess-Problemen und Depression. Bei Kinderärztinnen und -ärzte werden immer mehr kleine Patientinnen und Patienten mit auffälligen Entwicklungen vorgestellt. Wie können Mediziner ihnen helfen? Hinweise für die Praxis gibt Professor Peter Borusiak. Der Chefarzt des Kinderneurologischen Zentrums der LVR-Klinik Bonn erzählt im Interview mehr darüber. Er leitet bei der Ärztlichen Akademie Nordrhein Fortbildungen für die kinder- und jugendärztliche Praxis zum Thema Entwicklungs- und Sozialpädiatrie. Darin geht es auch um Möglichkeiten der Abrechnung. 

 

Warum ist die Entwicklungs- und Sozialpädiatrie besonders bedeutend für die Praxis der Kinder- und Jugendmedizin?

Borusiak: Wir sprechen hier von einem Querschnittsfach, das viele Themen abdeckt, die Kinder und Jugendliche heute betreffen. Die Sozialpädiatrie beschäftigt sich mit Sprach- und Entwicklungsstörungen, psychischen Auffälligkeiten und mit Autismus oder Störungen aus diesem Spektrum. Die Ärztinnen und Ärzte sehen in der Gesamtversorgung, dass die Zahl der kleinen Patientinnen und Patienten mit komplexeren, teils chronischen gesundheitlichen Problemen zunimmt. Das bedeutet beispielsweise, dass immer mehr Kinder unter Adipositas leiden und zusätzlich auch Angststörungen oder Depressionen entwickeln können.

 

Also hat sich das Fachgebiet als Folge der Pandemie verändert?

Borusiak: Ja, Kinder- und Jugendmediziner müssen Heranwachsende inzwischen häufiger dabei unterstützen, mit chronischen Störungen fertig zu werden, als akute Erkrankungen wie Husten oder Schnupfen zu behandeln. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. 

Durch die Pandemie gibt es inzwischen weniger Therapieangebote, viele Gruppen haben sich in dieser Zeit aufgelöst. Die Tatsache, dass parallel auch Kindergartenplätze rar sind, führt dazu, dass viele Mädchen und Jungen nicht mehr lernen, mit Altersgenossen umzugehen. Die Rahmenbedingungen, unter denen sie aufwachsen, haben sich gewandelt.

 

Sehen Sie besondere Herausforderungen Sie bei Kindern von Geflüchteten, bei denen die Sozialpädiatrie unterstützen kann?

Borusiak: Es gibt verschiedene Konzepte im Verständnis von Erkrankungen und auch in der Kindererziehung, nicht nur bei Geflüchteten oder Menschen mit Migrationsgeschichte, auch in deutschen Familien. Der Umgang mit Erkrankungen ist sehr individuell. Bei Geflüchteten können noch traumatisierende Erfahrungen hinzukommen und für Menschen mit Migrationsgeschichte stellt das komplexe deutsche Gesundheitssystem häufig eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Frage, wo man für was einen Antrag stellen muss, ist ja selbst für Ärzte nicht immer leicht zu beantworten. 

 

Welche Inhalte und Schwerpunkte haben die Seminare, die Sie im Rahmen der Akademie geben?

Borusiak: Wir nehmen uns in 40 Stunden Zeit für einen praxisorientierten Überblick zu den vielen Themen, die die Patienten der Kinder- und Jugendärzte heute betreffen. Dabei geht es um alle Bereiche – von der Motorik über die Sprache bis zur kognitiven und emotionalen Entwicklung. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Strukturen der Versorgung. Das bedeutet: Welche Beratungsstellen gibt es, welche Netzwerke kann man im jeweiligen regionalen Umfeld in Anspruch nehmen? Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit sozialrechtlichen Aspekten, etwa damit, wie ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden kann.

 

Wie können Kinder- und Jugendärzte von den Seminaren profitieren und das erlernte Wissen in ihrer Praxis anwenden?

Borusiak: Sie erhalten konkrete Hinweise und erfahren, wie sie in der Praxis helfen können. Nicht jedes Kind muss und kann ja in ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden. Die Teilnehmenden erhalten auch Informationen zur Abrechnung – also dazu, wie sie die Zeit vergütet bekommen, die sie sich für ihre kleinen Patientinnen und Patienten nehmen. Und ich kann aus Erfahrung sagen: Es macht Spaß, hier zu unterstützen, Erfolge zu erzielen und Dankbarkeit zu erfahren.

 

Das Interview hat Natascha Plankermann geführt.

 

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