Allgemeine und spezielle Notfallbehandlung
Zusatz-Weiterbildung, Fortbildung
Die notärztliche Tätigkeit ist medizinisch, psychisch und organisatorisch anspruchsvoll. Sie findet in der Regel unter Zeitdruck und teils in schwierigen Bedingungen oder unübersichtlichen Situationen statt. Im Rahmen ad hoc gebildeter Teams von Notärzten und Rettungsdienstfachpersonal sind eine professionelle Einschätzung der Lage sowie eine bestmögliche Untersuchung und Akutbehandlung von Notfallpatienten sicherzustellen.
Um drohende oder eingetretene Notfallsituationen zu erkennen und darauf mit den bestmöglichen Entscheidungen reagieren zu können, ist eine strukturierte und standardisierte Vorgangsweise nötig. Diese verlangt einerseits die Kenntnis medizinisch-fachlicher Herausforderungen der prähospitalen Notfallmedizin, andererseits eine gute Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienstfachpersonal.
Ziele:
Die Kurs-Weiterbildung „Allgemeine und spezielle Notfallbehandlung“ vermittelt Fähigkeiten zur professionellen Meisterung prähospitaler notfallmedizinischer Situationen, wie etwa die Maßnahmenkoordinierung bei einem Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten, die Delegierung von Aufgaben an das Rettungsdienstfachpersonal, die Abwägung von Art und Umfang der Akutversorgung bei gleichzeitiger Respektierung der vom Notfallpatienten gesetzten Grenzen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen nicht also nicht nur, akut bedrohte Vitalfunktionen wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, sondern werden auch mit den gesetzlichen Grundlagen, Strukturen und unterschiedlichen Aufgaben des Rettungsdienstes vertraut, und somit in die Lage versetzt, koordinierend und sicher mit dem technischen und medizinischen Rettungspersonal zu kommunizieren.
Zielgruppe:
Ärztinnen und Ärzte, die die Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“ anstreben.
Die Kurs-Weiterbildung kann auch als ärztliche Fortbildung absolviert werden.
Struktur:
Die Zusatz-Weiterbildung „Notfallmedizin“ besteht aus der Kurs-Weiterbildung „Allgemeine und spezielle Notfallbehandlung“ (80 UE) zu acht Modulen (je 10 UE), verbunden mit 50 Notarzteinsätzen unter Anleitung (davon höchstens 25 im Simulationskurs) und 24 Monaten Weiterbildung im stationären Bereich (davon 6 Monate Intensivmedizin, Anästhesiologie oder Notfallaufnahme).
Die Module der Kurs-Weiterbildung müssen in der vorgegebenen Reihenfolge absolviert werden. Der Anbieter ist frei wählbar. Vor Beginn der Notarzteinsätze muss die Kurs-Weiterbildung abgeschlossen sein.
Die 80 UE der Kurs-Weiterbildung sind zu 60 UE als Präsenzveranstaltung zu absolvieren, der Anteil physischer Präsenz beträgt mindestens 44 UE. Der eLearning-Anteil beträgt höchstens 20 UE.
Allgemeine und spezielle Notfallbehandlung (80 UE)
Strukturelle, gesetzliche und rechtliche Grundlagen des Rettungsdienstes. Aufgaben der Beteiligten und die Strukturen der Notfallversorgung.
- Organisation und Rechtsgrundlagen des Rettungsdienstes
- Rettungsdienstgesetze, Verordnungen, Erlässe, länderspezifische Regelungen
- Qualitätsmanagement in der Notfallmedizin, Dokumentation, Versorgungsforschung
- Aufgaben der Leitstelle, Alarmierungs- und Kommunikationstechnik
- Zusammenarbeit mit der Arztruf-Zentrale und Ersthelfern
- Telemedizin
- Notarztaufgaben, Zusammenarbeit mit Rettungsdienstfachpersonal, Teamführung
- Crew Ressource Management (CRM)
- Erstversorgung unter erschwerten Bedingungen
- Eigenschutz und Schutz von Patienten und Dritten
- Gewaltprävention, Deeskalation, Umgang mit Gewaltvorfällen
- Fahrzeuge im Rettungsdienst und Luftrettung inklusive Ausstattung und Einsatzspektrum
- Spezialrettungsmittel, Ausrüstung, Normen, Besonderheiten der Luftrettung
- Diverse für den Rettungsdienst relevante ambulante Strukturen
- Hausarzt, Integrierte Notfallzentren, Portalpraxen, Fahrdienst
- Sozialpsychiatrische Dienste, Kooperation mit der Palliativmedizin
- Einsatzstrategie und Transportplanung, Zuweisungsstrategie
- Zentrums-Konzept (Stroke, Infarkt, Trauma), Infektionstransport, Interhospitaltransport
- „Wahlthema“ zur inhaltlichen Vertiefung, z. B.:
- Ärztliche Leichenschau
- Infektionsgefahr/Hygiene
- EKG-Beurteilung
- Atemwegsmanagement und Beatmung
Strukturierte Untersuchung, Versorgung, Stabilisierung, Lagerung in Theorie und Praxis.
- Strukturierte Patientenuntersuchung
- Standardisierte Anamnese
- Erkennung kritischer und lebensbedrohlicher Zustände
- Lagebeurteilung am Notfallort
- Erstuntersuchung: ABCDE-Schema
- Notfallsonographie
- Symptomadaptierte und Verdachtsdiagnosen entsprechende Lagerung
- Lagerungs- und Immobilisationstechniken
- Transportsicherung, Repositionstechniken, Hilfsmitteln
- Medikation und Applikationstechniken
- Applikationsformen: intravenös, intraossär, intramuskulär, sublingual, nasal, bukkal, rektal
- Überwachung (Monitoring) von Notfallpatienten: EKG, HF, Sp02, NIBP
- Besonderheiten des kindgerechten Monitorings
- Strukturierte Beurteilung des EKG im Notfall
- Atmung und Kapnographie, Atemmuster, Beatmung, ROSC, Ketoazidose
Atemwegsmanagements, Beatmung, Reanimation.
- Notfallnarkose, Analgesie, Sedierung
- Atemwegsmanagement und Beatmung in Theorie und Praxis
- Schwierige Atemwegsverhältnisse, Maskenbeatmung: Erwachsene, Kinder, Säuglinge
- Extraglottische Atemwegshilfen
- Invasive Atemwegssicherung (Koniotomie)
- Praxis: Reanimation von Erwachsenen (Teil 1)
- Entscheidungsfindung: Abbruch der Reanimation bei Aussichtslosigkeit
Umgang mit Schwerverletzten, erstversorgende therapeutische Maßnahmen, Indikation zur Schockraumaktivierung, zielgerichtete Kommunikation. Grenzen der Notfallversorgung, ethische Grundlagen der Entscheidungsfindung.
- Polytrauma und Schwerverletztenversorgung
- Klinische Schwerverletztenversorgung, Schockraummanagement, Patientenübergabe
- Thoraxtrauma inkl. Perikard
- Thoraxentlastung: Thoraxpunktion, Minithorakotomie, Thoraxdrainage
- Blutungsmanagement und Volumentherapie, Kompression, Tourniquet, Beckenschlinge
- Einsatz von Hämostyptika und Antifibrinolytika
- Thermische Notfälle: Verbrennung, Verbrühung, Unterkühlung, Erfrieren
- Ethik: Notfall am Lebensende, Überbringen schlechter Nachrichten, Entscheidungsfindung
- Reanimation von Erwachsenen (Teil 2)
- Reanimation bei Polytrauma
Einordnung vitalbedrohlicher Leitsymptome, Anwendung entsprechender akuttherapeutischer Maßnahmen.
- Respiratorische Notfälle
- Kardiale Notfälle
- Zirkulatorische Notfälle
- Anaphylaxie
- Sepsis
- Neurologische Notfälle
- Differenzialdiagnostik bei Bewusstlosigkeit
- Praxis der Schwerverletztenversorgung, Schockraum
Differenzierte Einordnung von Leitsymptomen, Anwendung entsprechender akuttherapeutischer Maßnahmen. Geburtshilfe und kindliche Notfälle.
- Psychische Störungen, Depressionen, Suizidalität, Psychosen
- Intoxikationen, häufige Toxine, Polypharmazie
- Praxis der ambulanten (notärztlichen) Versorgung, Grenzen und Möglichkeiten
- Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung
- Geburt und geburtshilfliche Notfälle
- Praxis: Geburt und Neugeborenenversorgung
- Kindernotfälle, Fremdkörperaspiration, plötzlicher Kindstod
- Praxis: Reanimation von Kindern
- Interpersonelle Fähigkeiten und Fertigkeiten
- Führung, Teamarbeit, Entscheidungsfindung
- Fehlerrisiken in komplexen Arbeitsumgebungen, Fehlervermeidungsstrategien
- Kommunikation im Notfalleinsatz
- Prinzipien und Leitsätze des Crew Ressource Managements (CRM)
- Strukturierte Patientenübergabe im Krankenhaus, SBAR-Schema, ABCDE-Schema
- Einsatznachbesprechungen, Einsatznachsorge, Krisenintervention
- Rechtfertigender Notstand, selbst- und fremdgefährdende Personen
- Behandlungsverweigerung durch Patienten, Ablehnung durch den Rettungsdienst
- Lagebeurteilung, Sichtung bei Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV)
- Grundlagen der Lagebeurteilung und Sichtung
- Chemische, biologische, radiologische, nukleare Gefahren (CBRN)
- Lebensbedrohliche Einsatzlagen
- Praxis der Lagebeurteilung im MANV
Erfahrungen in der Leitung von Notfallsituationen und Einsatzlagen in realen Settings. Praktische Anwendung des in der Kurs-Weiterbildung erworbenen Wissen.
- Koordinierung der medizinischen mit der technischen Rettung
- Demonstration technischer Rettungsmöglichkeiten
- Einsatztaktik beim Massenanfall von Verletzten (MANV)
- Komplexe Einsatzlage: Medizinischer Notfall
- Komplexe Einsatzlage: Trauma
- Abschlussbesprechung
(Muster-)Kursbuch Allgemeine und spezielle Notfallbehandlung
auf der Grundlage der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018
Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein Notfallmedizin
vom 1. Juli 2020
Notdienstorganisation
der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
Wissenschaftliche Leitung
Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Bonn
Facharzt für Anästhesiologie, Bonn
Spez. Anästhesiologische Intensivmedizin
Notfallmedizin
Rettungsdienst